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Pour mieux comprendre ce qui s'est passé avec Hermann Feiling au moment des interrogatoires, il est utile de se rendre compte combien ces pratiques étaient monnaie courante dans l'Allemagne des années 1970. Et combien il est inadmissible pour ce tribunal de les reprendre, de les cautionner aujourd'hui. De reprendre par exemple les déclarations du juge Kuhn comme l'a fait la juge ce 12 octobre.
Ainsi est-il utile de lire le début de cet article du Spiegel de février 1978, qui décrit une autre des activités de ce juge d'instruction à la même époque.
Lors de son arrestation, un militant de la RAF, Günter Sonnenberg a reçu une balle en pleine tête. L'article décrit la tentative d'interrogatoire par ce même juge Kuhn, aux soins intensifs, six jours après une deuxième opération de plusieurs heures.
"Horst Kuhn, juge d'instruction auprès du BGH est venu dans l'exercice de ses fonctions dans le service des soins intensifs. L'accusé était méconnaissable. Blessé grièvement par une balle en pleine tête, et seulement six jours après une deuxième opération ayant duré plusieurs heures, Günter Sonnenberg, 23 ans, était allongé blafard, et entouré de bandages, au milieu de tuyaux, de poches et de la lumière tremblante du monitor ..."
Toute ressemblance avec l'interrogatoire de Hermann Feiling n'est pas .... fortuite.
La suite de l'article traite des expertises sur la capacité à comparaître de ce militant et là encore, on voit la même logique à l'oeuvre.
C'était à l'époque de Stammheim, et l'Etat se croyait autorisé à tout. Hermann Feiling, pour une action symbolique, s'est retrouvé dans ce cauchemar. Et c'est sur des déclarations obtenues dans de telles conditions que sont accusés aujourd'hui C.Gauger et S. Suder.
Sicher gestört (Spiegel)
Horst Kuhn, 45, Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof, kam zur Amtshandlung in die Intensivstation.
Der Beschuldigte war kaum zu erkennen. Durch einen Kopfschuß schwer verletzt und erst vor sechs Tagen zum zweitenmal mehrstündig am Gehirn operiert, lag Günter Sonnenberg, 23, bleich und bandagiert inmitten von Schläuchen, Infusionsflaschen und dem Geflimmer der Monitore.
Der Richter an der Bettkante: "Haben Sie das Motorrad Suzuki angemietet?" Sonnenberg: "Ach so. Mh, mh, mh." Amtlicher Protokollvermerk zu dieser "Aussage": Es lasse sich aus den Äußerungen des Beschuldigten nicht entnehmen, ob er sich bejahend oder verneinend geäußert habe.
Aber Richter Kuhn mochte nicht lockerlassen: "Haben Sie auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter geschossen?" Sonnenbergs Antwort, nicht präziser als beim ersten Anlauf: "Wie kommt das?"
Die sogenannte Vernehmung fand in der Tübinger Universitätsklinik statt, am 18. Mai vergangenen Jahres. Sinn und Resultat der juristischen Prozedur beurteilt einer der gerichtlich beauftragten Sachverständigen, Professor Erich Wulff, Mitdirektor der Psychiatrischen Klinik an der Medizinischen Hochschule Hannover, heute so:
Herr S. war überhaupt nicht in der Lage, irgendwelche vom eigenen Willen bestimmten Handlungen durchzuführen oder auch nur seine Umgebung zusammenhängend wahrzunehmen ... Diese Störung des Bewußtseins hat mit Sicherheit nicht nur zu einer vollständigen Vernehmungs- und Verhandlungsunfähigkeit, sondern auch zu einer völligen Unfähigkeit geführt, Erklärungen irgendwelcher Art zu verstehen, entgegenzunehmen oder gar zu beantworten.
Gleichwohl soll Sonnenberg vom Donnerstag dieser Woche an in Stammheim vor Gericht stehen. Zwar wirft auch die Bundesanwaltschaft derzeit Sonnenberg nicht mehr vor, er habe Siegfried Buback, ihren einstigen Chef, und seine beiden Begleiter ermordet -- für eine solche Anklage waren die Indizien zu mager. Statt dessen steht Sonnenbergs Beteiligung an zwei Schußwechseln vom 3. Mai vergangenen Jahres im badischen Singen am Hohentwiel an.
Gemeinsam mit Verena Becker, so die Anklage, habe er damals, um seiner Festnahme zu entgehen, aus nächster Nähe auf zwei Polizeibeamte geschossen und beide verletzt, einen davon lebensgefährlich. Bei der anschließenden Flucht habe das Terroristenpaar noch auf vier weitere Polizisten angelegt, die die Verfolgung aufgenommen hatten. Auf einer Uferwiese an der Aach kam dann das Ende: Verena Becker, getroffen von einem Schuß in den Unterschenkel, gab auf. Günter Sonnenberg fiel um. Eine Polizeikugel drang ihm über dem rechten Ohr in den Kopf und riß eine vier Zentimeter breite Höhle; vier Geschoßsplitter blieben -- bis heute -- tief im Gehirn stecken. Sechs Tage war Sonnenberg bewußtlos.
Verena Becker hat ihren Prozeß schon hinter sich. Der 5. Strafsenat des Stuttgarter Oberlandesgerichts verurteilte sie Ende Dezember wegen sechsfachen Mordversuchs zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Der selbe Senat will sich zum selben Prozeßstoff nun auch Günter Sonnenberg vornehmen. Schneidig nahm er schon die erste Hürde: "Der Angeklagte ist verhandlungsfähig" -- so der Eröffnungsbeschluß vom 3. Februar.
Die Entscheidung des Stuttgarter Oberlandesgerichts über die Verhandlungsfähigkeit hat Bedeutung über den Fall Sonnenberg hinaus. Sie markiert das Ausmaß, mit dem grundlegende Rechte von Beschuldigten im Strafprozeß nicht nur durch immer neue Antiterror-Gesetze abgeschafft oder ausgehöhlt, sondern mittlerweile auch durch die verschärfte Gangart von Gerichten in der Alltagspraxis mehr und mehr entwertet werden.
Daß ein Angeklagter verhandlungsfähig sein muß, dem Ablauf seines eigenen Prozesses also nicht nur körperlich und geistig folgen kann, sondern auch zur Selbstverteidigung imstande ist, gehört zu den wichtigsten Prozeßvoraussetzungen und wird deshalb als Grundrecht auch von der Verfassung geschützt -- Artikel 103: "Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör." Vom rechtlichen Gehör aber kann nur Gebrauch machen, wer physisch und psychisch dazu auch in der Lage ist.
Die fünf Stuttgarter Oberlandesrichter indessen reduzierten die inhaltlichen Voraussetzungen der Verhandlungsfähigkeit praktisch auf die rein äußerliche Möglichkeit zur Teilnahme am Prozeß. Sie begründeten ihren Beschluß juristisch denkbar oberflächlich und setzten sich über vier von sechs medizinischen Sachverständigen hinweg, die in ihren schriftlichen Gutachten teils massive Bedenken gegen die Verhandlungsfähigkeit Sonnenbergs artikuliert, teils -- so immerhin zwei Medizinprofessoren -- den Angeklagten sogar für verhandlungsunfähig erklärt hatten. Der Neurologie-Professor Hugo Krott vom Psychiatrischen Landeskrankenhaus Weissenau hatte Sonnenberg für verhandlungsfähig erklärt -- auch er allerdings nur "zweimal wöchentlich für jeweils 2 bis 4 Stunden" und mit der Einschränkung:
Das Kurzzeitgedächtnis des Günter Sonnenberg ist seit dem Unfallereignis vom Mai 1977 sicher gestört ... Hier liegt auch noch eine leichte Allgemeinverlangsamung der höheren Hirnleistungen und damit des Kurzzeitgedächtnisses vor.
An anderer Stelle seiner Expertise spricht auch dieser Gutachter von dem "zumindest partiell entspeicherten oder gestörten Hirn" des Angeklagten.
Der Tübinger Neurochirurg Professor Wilhelm Driesen hält Sonnenberg nur "für beschränkt verhandlungsfähig. Die Beschränkung der Verhandlungsfähigkeit ergibt sich aus einer noch ungenügenden allgemeinen Leistungsfähigkeit des Beschuldigten".
Für den Hannoveraner Psychiatrie-Professor Wulff indessen gehört der Fall Sonnenberg
zu den Fällen, bei denen erwogen werden muß, ob zwischen einer verantwortlichen Straftat und dem Beginn des zugehörigen Verfahrens ein derart erheblicher intellektueller Abbau eingetreten ist, daß dadurch das für die Verhandlungsfähigkeit erforderliche Minimum an intellektueller Kapazität verlorengegangen ist ...
Herr S. befindet sich zur Zeit noch weit unter dem zerebralen und intellektuellen Leistungsniveau seiner eigenen Ausgangspersönlichkeit. Man kann sicher nicht von ihm erwarten, daß er imstande ist, sich die gleichen Gedanken oder auch nur Gedanken des gleichen Niveaus zu seiner Verteidigung zu machen, wie er dies zum Zeitpunkt der Tat hätte tun können, noch, daß er seine Vorstellungen in der gleichen Klarheit andern deutlich machen kann
Wenn es das Recht auf die Würde des Angeklagten erfordert, daß er sich unter den besten für ihn erreichbaren intellektuellen und psychischen Voraussetzungen verteidigen soll, dann wird man sagen müssen, daß die Verhandlungsfähigkeit von Herrn 5. allenfalls in ein bis zwei Jahren zu erwarten sein wird.
Auch der Psychiater und Neurologe Achim Mechler vom Vollzugskrankenhaus Hohenasperg, in dem Sonnenberg mehrere Monate untergebracht war, hält es für erwiesen,
daß allerdings insbesondere die mnestischen (Gedächtnis-) Störungen den Prob. in seiner Fähigkeit, sich vor Gericht zweckmäßig zu verteidigen, erheblich beeinträchtigen, da die mangelhaften Gedächtnisleistungen niemals einen vollen Überblick aufkommen lassen. Der Prob. kann sich zweifellos nicht optimal und zum Teil wohl noch nicht einmal hinlänglich verteidigen.
Noch weitergehende Schlußfolgerungen zogen die beiden Medizinprofessoren Walter Müller, Internist und Chefarzt am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus, und Wilfried Rasch, Ordinarius für forensische Psychiatrie in Berlin. Professor Müller:
Nach meinem Dafürhalten ist der Angeklagte derzeit nicht in der Lage, einer Gerichtsverhandlung zu folgen, das jeweils an den einzelnen Tagen Vorgebrachte sich zu merken und Argumente aus seinem eigenen Gedächtnis und die, die sich aus der Verhandlung ergeben, vorzubringen. Was andere erklären, wird er nur teilweise aufnehmen und vor allem nur lückenhaft speichern können, so daß ich auch in Anerkennung, daß es sich bei der Verhandlungsfähigkeit um einen juristischen Begriff handelt, doch als Arzt bezweifle, ob eine solche vorliegt.
Auszug aus dem Gutachten von Professor Rasch:
Sonnenberg ist nur beschränkt in der Lage, sich verständlich zu machen und zu verstehen, was andere erklären. Er kann den Wortsinn abgegebener Erklärungen verstehen, aber von einem relativ niedrig anzusetzenden Schwierigkeitsgrad ab nicht mehr den eigentlichen Sinn einer Erklärung, ihren wesentlichen Gehalt und ihre Bedeutsamkeit erfassen. Eine sinnvolle Verarbeitung der an ihn herangetragenen Erklärungen wäre bereits hierdurch in Frage gestellt. Eine weitere Beeinträchtigung dieses geistigen Prozesses wird verursacht durch Herabsetzung der Abstraktionsfähigkeit, durch Verlangsamung und durch Merkfähigkeitsstörungen. Es ist zu erwarten, daß S. bei der Verhandlung von ihm oder anderen abgegebene Erklärungen in einem erheblichen, d. h. weit über normalem Ausmaß wieder vergißt. Nach medizinischer Auffassung liegt Verhandlungsunfähigkeit vor.
Das Stuttgarter Oberlandesgericht setzte sich über die Mediziner hinweg. Ihre Einwände wurden in aller Kürze weggebügelt mit dem Hinweis auf den Strafprozeßkommentar von Löwe-Rosenberg und auf eine betagte Gerichtsentscheidung. Daß der Kommentar (sogar unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs) an gleicher Stelle immerhin die Prüfung verlangt, "ob der Angeklagte auf Grund seiner psychischen und physischen Verfassung in der Lage ist, der Verhandlung zu folgen, ob er also das Verfahren insgesamt und in seinen einzelnen Teilen zu erfassen, zu würdigen und sich sachgerecht zu verteidigen vermag", schlägt sich in dem Stuttgarter Beschluß nicht nieder.
Statt dessen hoben die Richter ab auf jene Leerformel von "geistiger Klarheit und geistiger Freiheit", die sie einer Entscheidung des alten deutschen Reichsgerichts aus dem Jahre 1917 entnahmen. Daß die heutigen Erkenntnisse der Neurophysiologie über die Funktionsfähigkeit eines in bestimmter Weise geschädigten Gehirns vor 60 Jahren noch gänzlich unbekannt waren, focht die Stammheimer Strafrichter nicht an.
Die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten zu verneinen hieße durchaus nicht, den Terroristen laufenzulassen. Die Sachverständigen gehen von der Erwartung aus, daß sich Sonnenbergs Zustand bei sachgerechter Pflege in anderthalb Jahren deutlich bessert. Solange ließe sich auch die Hauptverhandlung verschieben. Der Prozeß gegen den BM-Kern begann -- gewiß kein Beispiel zur Nachahmung -- erst drei Jahre nach Ergreifung der Täter. Im Fall Sonnenberg wäre die Zeitspanne dann immer noch kürzer.
Bliebe hingegen der Zustand des Inhaftierten so reduziert wie jetzt, so müßte die Justiz das sogenannte Sicherungsverfahren gegen ihn einleiten. Es zielt nicht auf ein Urteil über Strafe oder Freispruch, sondern kann nur zur Unterbringung in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus führen -- von Freilassung jedenfalls selbst dann keine Rede.
In ihren Untersuchungsbefunden stimmen die Gutachter weitgehend überein: ein organisches Psychosyndrom, eine durch Traumatisierung erworbene Störung der Intelligenzfunktion, erhebliche Wortfindungsstörungen und eine deutliche Einbuße der Fähigkeit, Erinnerungen zu speichern und zu reproduzieren -- typische Ausfälle bei Hirnverletzungen dieser Art.
Mehrere Male während ihres Gesprächs, so erinnert sich Professor Wulff, habe ihn Sonnenberg nach Beruf und Arbeitsstelle gefragt, "obwohl ich ihm dies mehrfach ausführlich erklärt hatte". Ähnliches widerfuhr Professor Rasch: "Es kam wiederholt vor, daß er innerhalb weniger Minuten das Gleiche mit den gleichen Formulierungen berichtete." Bei der Auswertung von Tests stellte sich dem Gutachter das Problem, "daß der Proband bei der ersten Zeile versagte, weil er die Aufgabe schon wieder vergessen hatte".
Als Gymnasiast war Sonnenberg noch in der Oberstufe ein glänzender Schüler gewesen und hatte nach eigener Angabe "alle Preise gewonnen. Als 17jähriger zurück aus den Vereinigten Staaten, wo er als besonders begabter Austauschschüler gewesen war, verlor er das Interesse an der Schule, lebte "nur noch von meinen Vorkenntnissen", schaffte das Abi aber noch mit Durchschnittsnote 2,2.
Bei der Exploration, so Gutachter Rasch, "faßte er die Testfragen schwer auf, sobald die Frage einfache Sachverhalte überstieg". Entsprechend die Ergebnisse: in einem Test Resultate, die -- so der Auswerter -- "normal wären bei einer schwachsinnigen Persönlichkeit". Der Hamburg-Wechsler-Test ergab bei dem Musterschüler von einst nur mehr einen Intelligenzquotienten von 87. Obgleich er früher neben Soziologie auch Geschichte studiert hatte, brachte Sonnenberg keine der bekanntesten Jahreszahlen für historische Ereignisse zusammen und versuchte stockend, einzelne sehr bekannte Persönlichkeiten einzuordnen.
Bei Überprüfung von Wortbedeutungen kann er Nadel, Bleistift und Kugelschreiber benennen, nicht jedoch etwa Knopf, Aktentasche und Briefumschlag. Der Inhalt eines kurzen Diktats über ein Busunglück war ihm schon 20 Minuten später nicht mehr geläufig, und auch beim Zeugenauftritt im Prozeß gegen seine Komplizin Verena Becker hat er nach eigenem Bekunden "manches zu sagen vergessen, was ich mir vorgenommen hatte zu sagen".
In der Haft benutzt er eine gelbe Kladde, in die er täglich alles mögliche eintrug, um -- so Rasch -- "seine Gedächtnisstörungen zu kompensieren Die Notizen verstärkten noch die Eindrücke der Gutachter aus den persönlichen Gesprächen: "Die Aufzeichnungen machen das Ausmaß der mnestischen (Gedächtnis-) Beeinträchtigung deutlich; wiederholt kommt es vor, daß der gleiche Gedanke in gleichen oder ähnlichen Formulierungen innerhalb einer Tageseintragung -- also evtl. sehr kurzer Zeit -- noch einmal festgehalten wird" (Rasch).
Alle Symptome Sonnenbergs, aus denen zwar die Gutachter einen schwerwiegenden Krankheitsbefund, aber die Richter die Verhandlungsfähigkeit ablasen, haben ihr pathologisches Substrat im Gehirn. Das Geschoß in den Kopf, soviel ist sicher, hat vor allem das Großhirn betroffen, Teile des Scheitelhirns, aber auch Teile beider Schläfenlappen.
Gedächtnis-Informationen sind im Gehirn nicht strukturell niedergelegt. Vielmehr ist das Gedächtnis grundsätzlich eine Funktion der gesamten Hirnrinde des Menschen, weshalb der Funktionsausfall durch Teilzerstörung dieser Rinde innerhalb bestimmter Grenzen von anderen Hirnarealen wieder restituiert werden kann. Entscheidend dabei ist vor allem, wieviel Hirnsubstanz zerstört worden war.
Besondere Speicherstellen für das Kurzzeitgedächtnis sind aber nach Ansicht von Neurophysiologen auch in den Schläfenlappen lokalisiert, genauer: im sogenannten Gyrus parahippocampalis. Gerade die Ausfälle Sonnenbergs bei seinem Kurzzeitgedächtnis deuten auf verletzungsbedingte Gewebsuntergänge speziell auch in diesem Hirnbereich,
Sie konnten -- ebenso wie Lokalisation und exaktes Ausmaß der übrigen Hirngewebsuntergänge -- bisher nur deshalb noch nicht eindeutig bestimmt werden, weil die hierfür einzig taugliche und überdies völlig ungefährliche Untersuchungsmethode, die sogenannte Computer-Tomographie, aus unerfindlichen Gründen bei Sonnenberg nicht angewendet worden ist.
Beim Gehirn als einem Weichteilgewebe versagt die konventionelle Röntgentechnik, weil sie die geringfügigen Dichteunterschiede der Gewebe nicht erfaßt. Auch die bei Sonnenberg mehrfach vorgenommene Angiographie, eine Kontrastmitteldarstellung der Blutgefäße, macht zumindest alle solchen Hirnsubstanzdefekte nicht sichtbar, bei denen kein Blutgefäß betroffen oder davon verlagert wurde.
Mit der Computer-Tomographie läßt sich das Dilemma mühelos lösen. Schichtweise wird das Gewebe dabei aus 180 verschiedenen Richtungen durchstrahlt und jeweils 25 000 Absorptionswerte aus jeder der sechs oder acht Schichten vom Computer zu einem Bild zusammengefügt, das abphotographiert und digital auch über Schnelldruck auf Papierbogen ausgeworfen werden kann.
Millimeterkleine Gewebseinheiten werden nach Lage und Struktur exakt erfaßt. Die Untersuchung dauert knapp eine Stunde, die Strahlenbelastung ist nicht höher als die einer Serie konventioneller Röntgenaufnahmen des Schädels. Die Geräte kosten zwar rund 2 Millionen, arbeiten aber schon in vielen Großstädten -- so auch in Stuttgart.
Sonnenbergs Hirnverletzung auf diese Art exakt zu klären und eindeutig abgesicherte medizinische und juristische Schlüsse zu ziehen, hielten bisher weder die Ärzte, geschweige denn die Richter für nötig, obschon der medizinische Nutzen dieser Methode -- speziell sogar für solche Verletzungen -- auch im juristischen Schrifttum schon längst publiziert ist.
So kommt es, daß sämtliche Sonnenberg-Gutachter in ihren umfänglichen Expertisen über die genaue Lage der Geschoßsplitter ebenso rätseln wie über Lokalisation, Ausmaß und Folgen der vielen schußbedingten Gewebsdefekte -- vor zwei Jahren noch das übliche Resultat einschlägiger Gehirn-Untersuchungen, heute jedoch, nach Einführung der Computer-Tomographie, fast schon ein Kunstfehler.
Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis ist heute auch im Streitfall Sonnenberg möglich -- sogar über die entscheidende Vorfrage des Prozesses: verhandlungsfähig oder nicht.
Ganz wohl bei der Sache ist dem Stuttgarter Strafsenat offenbar nicht. Denn anders als im Vorprozeß gegen Verena Becker wollen die Richter nun sogar die Schießerei am Singener Flußufer, immerhin vierfacher. Mordversuch, ausklammern -- "wegen des Gesundheitszustandes des Angeklagten".
Zu krank für die eine, gesund genug für die andere Tat -- Richtersprüche 1978.
* Das Tomogramm zeigt eine Kopfschuß-Verletzung, die der von Sonnenberg ähnelt. Die durch Kreise gekennzeichneten dunklen Stellen markieren (in zwei Ebenen) den vom Geschoßkanal bewirkten Gewebsdefekt; die weißen Punkte steckengebliebene Splitter.